Endspurt

Wieder in Polen zu sein war nach einem Monat Skandinavien ein kleiner Kulturschock.

Die Häuser  waren  heruntergekommen, der Supermarkt durcheinander, es gab eine anderer Währung und überall Blühte es. Hier sahen die Schrebergärten richtig sommerlich aus! Zum Glück hatte es aber nicht viel mehr als 20 °C, wir hatten schon befürchtet den totalen Hitzeschock zu bekommen. Wir entschieden uns die Nacht an einem Campingplatz am Meer zu verbringen um uns noch ein mal von der Ostsee verabschieden zu können.  Am Campingplatz angekommen merkten wir, dass der Sommer in Polen viele Menschen mit sich bringt, es war richtig was los hier und auch die Preise waren an die Hochsaison angepasst. Immerhin gab es aber keine Duschmarken! Nach dem wir das Zelt auf dem sehr hügeligen Gelände aufgebaut hatten, (es gab kaum richtig ebene Plätze), liefen wir an den Strand.

Dort schliefen wir erst mal ein bisschen in der Sonne, wir waren echt müde, da wir auf der Fähre kaum geschlafen hatten, Die Ostsee ist in Polen etwas ganz anderes als in Skandinavien! Hier gab es wieder kilometerlange weiße Strände, Dünenlandschaft und man kann den Horizont sehen, anstatt immer das Gefühl zu haben, an einem See zu stehen. Danach hatten wir eigentlich geplant noch einmal im Meer zu baden, doch während wir am Strand schliefen, war der Himmel ziemlich zugezogen und die Feuerquallen im Wasser brachten uns dann völlig von diesem Entschluss ab. So liefen wir lediglich barfuß durch die Brandung und gingen dann zum Zelt zurück. Keine Minute zu spät, denn kaum waren wir dort angekommen begann es zu regnen. Und dieser Regen brachte Handlungsbedarf mit sich, da der Boden des Campingplatzes scheinbar völlig wasserdicht war. Das heißt, das Wasser floss in Bächen durch unser Vorzelt und wir hatten allerhand damit zu tun, es mit kleinen Wällen und Gräben davon abzuhalten, komplett unter unsere Plane zu fließen.

Am Abend waren wir dann völlig überfordert damit, dass es dunkel wurde. Zum ersten Mal seit über zwei Monaten brauchten wir unsere Taschenlampen um im Zelt etwas zu sehen.

Danzig zu besichtigen war unser Programm für den nächsten Vormittag, denn das war im April etwas zu kurz gekommen. Also fuhren wir früh in die Innenstadt und schlossen unser Fahrrad an. Dann ging es los, den "langen Markt" entlang, wo sich viele schöne Häuser aneinander reihten. Überall waren Aida- Stadtführer mit Reisegruppen unterwegs, und so bekamen auch wir ein paar der Geschichten und Anekdoten über die Stadt Danzig mit. Nachdem wir die Innenstadt ausgiebig in Augenschein genommen hatten, genehmigten wir uns noch eine Waffel mit Schlagsahne und machten uns dann auf den Weg aus der Stadt. Das brachte ein Déjà-vu mit sich, denn wir standen wieder vor der gleichen schrecklichen Kreuzung wie 2 Monate zu vor. Wieder fanden wir keine Radwegführung und suchten uns genervt einen Weg durch das andauernde Baustellenkaos.

Unsere Route ging weiter über kleine teils sehr steile Nebenwege, bis wir es endlich aus der Stadt hinaus schafften. Später würden die meist von Alleen gesäumten Straßen besser und wir kamen noch gut voran. Polen ist sicher nicht das sicherste Land zum Fahrradfahren wenn man auf Autostraßen unterwegs ist, denn die Straßen sind oft relativ schmal aber zweispurig und viel befahren. Um so besser der Straßenbelag umso mehr LKW sind unterwegs, und die vielen Kreuze an den sehr dicht an der Straße stehenden Bäume haben uns schon ein bisschen eingeschüchtert. Die Alternative zu solchen Straßen sind Sandwege und von solchen hatten wir damals schon genug!
Die Nacht verbrachten wir in einem kleinen Wäldchen, wo wir uns sehr wohl fühlten und unentdeckt blieben. Das Wetter war super und wir fuhren durch weite Agrarlandschaften, immer wieder mal verkaufte jemand am Straßenrand die ersten Pfifferlinge und Blaubeeren. Das wollte Hauke sich nicht entgehen lassen und so hielten wir bei einem von zwei Kindern betreuten Stand an. Da es keine Gemeinsame Sprache gab, wurde schnell die Mutter dazugeholt, welche allerdings auch nur Polnisch verstand. Sie packte uns die Pfifferlinge in eine Tüte und durfte sich das passende Geld aus dem Geldbeutel nehmen, dann wünschte sie uns noch einen Guten Appetit (eine der wenigen polnischen Redewendungen die wir verstehen). Den hatten wir auch am Abend, als wir die Pfifferlinge kochten und es schmeckte wirklich sehr gut.  Am nächsten Tag war es schon  wärmer und wir kamen spürbar ins schwitzen. Auf der nicht weit entfernten Bahnlinie sahen wir immer wieder alte Deutsche S-Bahnen fahren, in die auch unser Tandem passen würde.  Wir entschieden, später mal am Bahnhof vorbei zu fahren, doch erst gingen wir uns ein Eis kaufen. Anschließend suchten wir den Bahnhof und stellten uns am Schalter an. 

Die Dame am Schalter sprach kein Wort Englisch, wusste sich aber zu helfen, indem sie im Reisebüro nebenan Hilfe holte. Wir zeigten ein Foto unseres Fahrrads und ließen fragen, ob wir mit diesem Fahrrad Zug fahren dürfen. Die Antwort hieß ja und wir teilten noch unseren Zielort mit. Danach waren wir wieder allein mit der Frau am Schalter. Sie fragte uns noch einige Sachen, die wir auch nach ihren Erklärungsversuchen mit Händen und Füßen nicht verstanden und schrieb uns irgendwann eine Verbindung auf. Schließlich hatten wir Tickets für uns und das Fahrrad nach Stettin, mussten dafür aber noch mal Geld abheben, da das Kartenlesegerät kaputt war. Der Zug fuhr erst in einer Stunde und so hatten wir ausreichend Zeit die Gleisnummerierung zu verstehen. Mit dem Fahrrad aufs Gleis zu kommen war so einfach wie noch nie, da für die Rollstuhlfahrer einfach das Gleisbett geebnet wurde und so alle Gleise ebenerdig erreichbar waren. So warteten wir auf dem Gleis auf unseren Zug. Ein paar Minuten vor Abfahrt kam eine Zugbegleiterin aufs Gleis und wir versuchten von ihr zu erfahren wo das Fahrradabteil sein wird. Aber auch sie sprach nur polnisch, machte aber verständlich, dass sie sich nicht sicher sei ob unser langes Gefährt in den Zug passe. Einfach mal abwarten war angesagt. Die Zugbegleiterin wollte dann auch schon mal unsere Tickets sehen und es stellte sich heraus, dass wir noch ein "bagaz" Ticket für unseren Anhänger brauchten. Zum Glück hatten wir noch genug Zeit noch einmal zum Schalter zu gehen! Die Dame am Schalter verstand dann mit Hilfe des polnischen Worts für Gepäck auch was wir wollten (Gepäck und Fahrradtickets kosten ca 1,75 €).  Als der Zug kam, fanden wir zwar dann erst das Fahrradabteil nicht, aber am Ende war alles gut verstaut und wir unterhielten uns mit einem anderen Radfahrer aus Berlin . Nun überlegten wir, ob wir die Nacht in Stettin verbringen sollten, fanden dort aber kein günstiges Hostel. Alternativ stand im Raum Abends gleich weiter bis Berlin zu fahren und dort bei einem Bekannten zu nächtigen. So machten wir es dann auch.

Ob wir an diesem Abend Berlin noch erreichen würden war zeitweise allerdings noch etwas unklar, da wir in Stettin umsteigen und uns ein Anschlussticket kaufen mussten. Eigentlich hatten wir dafür ca 45 Minuten Zeit, allerdings kamen wir schon mit 10 Minuten Verspätung an.

Beim einfahren in den Bahnhof sahen wir, dass die meisten Gleise hinten ebenerdig erreichbar waren und so machten wir aus, dass Hauke Tickets kaufen geht, und Ich (Viola) solange herausfindet wo wir hin müssen. Treffpunkt war das Gleis auf dem wir ankamen. Ich fand dann schnell raus, dass unser Zug ein Gleis neben an fahren sollte, wo man problemlos ebenerdig hingekommen wäre. Also brachte ich Fahrrad, Gepäck und Anhänger ganz hinten ans Gleis, wo der ebenerdige Überweg über die Gleise war. Nach ca 10 Minuten war ich dann aber ziemlich verunsichert, da der Zug hätte schon da stehen sollen. Am aller hintersten Gleis, welches nicht ebenerdig erreichbar war stand ein deutscher Regionalzug und so bin ich erst mal ohne Gepäck schauen gegangen ob das vielleicht unser Zug ist. Und ja es war unser Zug. Mittlerweile hatten wir keine 20 Minuten mehr und Hauke war nirgends zu sehen. Der einzige Weg zu unserem Zug war die Treppe hoch, oben die Brücke entlang und beim Abfahrtsgleis die Treppe wieder runter. Ein Aufzug gab es nicht, da hätte wenigstens Gepäck und Anhänger rein gepasst. Also blieb nur tragen übrig und mir war schnell klar, dass wenn ich auf Hauke warte wir den Zug sicher nicht bekommen. Da mein Handy kein Akku hatte konnte ich das Hauke aber auch nicht mitteilen. Also frage ich einen Mann auf englisch ob er mit mir beim tragen helfen könne. So trugen wir den Anhänger die nicht gerade kurz Treppe hoch und ein weiterer Mann kam und half. Nachdem ich die Packtaschen hochgebracht hatte, war dann nur noch einer der Helfer da und das Fahrrad noch unten. Der Zug fuhr in 10 Minuten und da nirgends weitere Hilfe in Sicht war, bugsierten wir das Tandem zu zweit die Treppe hoch. Das Teil ist echt schwer. Oben angekommen brachte ich nach und nach alles zu der Treppe wo es runter zu unserem Zug musste. Da ich drei mal hin und her rannte war ich am Ende mehr als nass geschwitzt. Zum runter tragen fragte ich dann wieder um Hilfe, es waren noch ca 4 Minuten bis zur Abfahrt. Ein sehr hilfsbereiter Pole, welcher gerne mit seiner starken Manneskraft prahlte, brachte dann den Anhänger rückwärts hoppelnd die Treppe runter. Während ich noch die Packtaschen runter brachte hatte er sich schon das Fahrrad geschnappt und schob es gut Bremsend die Treppe runter. Der deutsche Schaffner fragte dann auch gleich ob das alles mit solle und ich bejahte es. Erklärte aber auch, dass noch jemand fehle und es ohne die Person nicht geht. Es waren noch ca 2 Minuten zur Abfahrt.
Eine Minute später kam Hauke angerannt und signalisierte mit den Armen, dass wir keine Tickets hätten. Mist. Schnell dem Schaffner erklärt und gefragt ob wir bei Ihm Fahrkarten kaufen könnten. Und ja es war möglich! Also signalisierte ich Hauke schneller zu rennen und fing an unser Gepäck ein zu laden. Pünktlich auf die Minute waren dann auch Fahrrad, Anhänger und Hauke im Zug. Nach dem Tickets kaufen erzählte Hauke dann, dass im Bahnhof am Schalter eine lange Schlange gewesen war. Und das schlimme daran, nach 10 Minuten Wartezeit standen immer noch die selben Personen ganz vorne. Irgendwann ging es dann doch langsam weiter, doch die Uhr lief schneller als die Schlange kürzer wurde und das warten wurde immer unentspannter. Als nur noch 5 Personen fehlten, fuhr der Zug in 4 Minuten. Da klar war, dass das nichts mehr wird, kam Hauke zurück, glücklicherweise ging der Weg über das Abfahrtsgleis des Zuges, so dass alles doch noch einmal gut ging.

So kamen wir abends gegen 10 in Berlin an, wo uns ein Schaffner, der uns immer wieder begegnete den Kompletten Weg zu unserem Ziel erklärte. Er stattete uns immer wieder mit Informationen über die Lage der Aufzüge und Rolltreppen aus und so kamen wir bald bei Peter an. Der Abend dort war super nett, sodass wir erst spät ins Bett fielen. Nach Stuttgart kamen wir dann am nächsten Tag mit dem Regionalverkehr. Auch die 3 mal umsteigen klappten einigermaßen, auch wenn wir die Barriere freien Bahnhöfe Polens sehr vermissten.

Abends gelang es uns dann Haukes Vater erfolgreich zu überraschen der uns erst eine Woche später erwartet hatte.