Hawaii Express

Kaum in Estland angekommen fanden wir durch Zufall einen der Naturlagerplätze des staatlichen Forstverbandes. Diese gibt es in Estland zuhauf, ausgestattet mit Feuerstellen, Picknickhütten und Plumsklo. An solchen Plätzen haben wir fast jeden Abend in Estland verbracht, oft ganz alleine und an wunderschönen Orten.
Am ersten Abend waren wir auf dem riesigen Platz direkt am Meer nicht ganz alleine, ein Wohnmobil mit finnischem Kennzeichen stand hundert Meter weiter.
Als wir gerade am kochen und aufbauen waren, kam der Besitzer, ein Berliner der zurzeit mit seiner estnischen Freundin in Finnland wohnt, zu uns. Wir unterhielten uns gut und er stattete uns mit den wichtigsten Informationen aus um in Estland eine gute Zeit zu haben.
So wussten wir also auch wo wir uns Karten downloaden konnten, auf denen alle Naturlagerplätze verzeichnet sind, eine Info die wir nicht missen wollten!
Estland brachte für Viola zwar einige Tage starke Rückenschmerzen mitsich (glücklicherweise war Fahrradfahren die schmerzfreiste Position), ansonsten ließ das Land und sogar das Wetter nichts zu wünschen übrig. Viele Wiesen mit Wacholder, wenige Menschen und einsame Strände verhalfen dazu, dass wir Estland zum bisher schönste Land erkoren. So wollten wir uns auch die estnischen Inseln nicht entgehen lassen. Als wir gerade unterwegs zur Fähre zur Insel Saarema waren, grüßte uns ein Radfahrer mit Taz Logo auf der Packtasche. Also angehalten für einen kurzen Smalltalk. Als geklärt war, dass wir um die Ostsee unterwegs sind, stellte sich heraus, dass der Radfahrer der Autor unserer Bikeline Radreiseführer war. Er Michael Cramer, Mitglied im Europäischen Parlament für die Grünen, war gerade dabei den Euro Velo 13 (Eisernervorhang ) zu überarbeiten und schlug uns prompt einen alternativ Weg vor.
Diesen testeten wir auch gleich und fuhren so an einer schönen Windmühle vorbei.
Mit der Fähre und über eine stürmische Brücke erreichten wir die Insel Saarema und schlugen unser Zelt auf einem Naturlagerplatz auf.
Für den nächsten Tag planten wir mittags die Fähre auf die Insel Hiiuma zu nehmen und dort noch ein bis zwei Tage zu verbringen. 
Am Fähranleger angekommen stellten wir fest, dass die Fähre nur zwei mal täglich, anstatt viermal wie wir dachten, fuhr. Die nächste Fähre fuhr erst um 19 Uhr und so überlegten wir wie wir den Tag verbringen sollten. 
Auf dem Weg zum Supermarkt fiel Viola dann ein neues schleif Geräusch am Hinterrad auf, dessen Ursache wir aber erst bei der Mittagspause fanden. Die Felge war an zwei Stellen eingerissen (siehe Foto) und das Metall bohrte sich in den Mantel. Kein schöner Anblick und uns war schnell klar, ohne eine neue Felge ging hier auf Dauer nichts.
Doof nur, dass wir auf einer Insel waren, der nächste Fahrradladen mindestens 60km entfernt. Während Hauke nur meinte es könne teuer werden und sich dann gemütlich ein Brot nach dem anderen schmierte, mit dem Urvertrauen, dass sich irgendwie immer eine Lösung findet, musste Viola erst mal ihren Schock verdauen. 
Wir planten eine Fahrradwerkstatt in Haapsalu auf dem Festland an zusteuern, in dem wir über die Insel Hiiuma fahren um von dort mit der Fähre aufs Festland überzusetzen. 
Also lagen wir den restlichen Tag in der Sonne und warteten auf die Fähre.
Kurz bevor diese kam Sprachen uns Schweizer die mit einem Wohnmobil unterwegs waren an. Sie erzählten uns, sie hätten uns bereits fünf mal gesehen, das erste mal in Polen. Wir hätten wohl das selbe Tempo wie sie. 
Beim auf die Fähre fahren bemerkten wir dann auch noch einen Platten am Anhängerrad, leider zu spät um die viele freie Zeit am Hafen zum flicken zu nutzen. Behelfsmäßig, aber ohne Erfolg, versuchten wir es auf der Fähre mit dem letzten Rest Pannenmilch den wir noch hatten wieder dicht zu bekommen. Runter von der Fähre tauschten wir dann einfach den Schlauch, da wir noch vor hatten, 50 Kilometer bis zum Naturlagerplatz an der nächsten Fähre zu fahren. Um 21 Uhr fuhren wir dann endlich los in den Abend hinein. Es war schön im Abendlicht zu radeln. Um 23.30 Uhr, eine halbe Stunde nachdem es dunkel geworden war, kamen wir an und bauten unser Zelt auf.
Da der nächste Tag ein Sonntag war, an dem die Fahrradwerkstatt geschlossen hat, machten wir einen Pausentag auf der Insel. Es war schönster Sonnenschein und wir nutzten den Tag um Wäsche zu waschen, in der Sonne zu liegen und trauten uns sogar ein erstes Mal in die Ostsee. 
Montag morgen schafften wir dann auch die letzten zehn Kilometer nach der Fähre zum Fahrradladen und schilderten unser Problem. Doch der Verkäufer meinte, er könne uns nicht Helfen. Er nannte uns aber ein anderes Fahrradgeschäft mit dem Namen Hawaii Express, bei dem wir es noch versuchen könnten. Dort angekommen fragten wir erneut nach lösung unseres Problems. Es sprach zwar nur eine Verkäuferin ein bisschen Englisch, aber nach der Suche in der Werkstatt wurde uns mitgeteilt, dass sie eine neue Felge für das Rad hätten. So beachten wir erst unser Gepäck zum nächsten Campingplatz, bauten dort das Rad aus und trugen es die zwei Kilometer bis zum Hawaii Express. Vier Stunden später war es dann auch abholbereit und gar nicht so teuer wie wir befürchtet hatten.
Nach dem Einbau war unsere Schaltung nicht mehr richtig eingestellt, dass haben sogar wir erkannt. So bauten wir es wieder aus und ein und versuchten unseren Fehler zu finden. Erstmal ohne Erfolg. Auch die weitere Fehlersuche blieb erfolglos, bis wir feststellten, dass wohl die Schraube am Schaltzug 
verrutscht war. Bald darauf klappte das einstellen der Schaltung und auch die Bremsen waren schnell an die nun schmalere Felge angepasst. Froh, dass wir nicht nochmal zur Werkstatt fahren mussten konnten wir unser Abendessen genießen.
Später sprach uns ein junger Mann auf unser Fahrrad an und nach einer kurzen Unterhaltung bot er an uns mit dem Auto die kleine Stadt zu zeigen. So kamen wir noch in den Genuss die Burg von Haapsalu zu besichtigen, welche wir mittags gar nicht bemerkt hatten. Auch die Uferpromenade bei Sonnenuntergang konnte sich sehen lassen. Leider hatten wir die Kamera nicht dabei... Mit Blasen an den Füßen und einigen neuen Mückenstichen aber zufrieden mit dem Ausgang des Tages, fielen wir schließlich spät in den Schlafsack.