Schneegestöber

Als auf der Straße immer mehr lettische Autos aufftauchten, mussten wir im Navi nachsehen, wann denn eigentlich die Grenze kommt, denn an diesem Tag hatten wir nicht mit ihr gerechnet. 3 Kilometer später kamen wir bei Sonnenschein in Lettland an.
Dort mussten wir uns zwischen zwei Routen entscheiden, entweder weiter auf der Autobahn ähnlichen Schnellstraße oder auf unbefestigten Wegen durch kleine Dörfer und Küstenwald. Nach kurzer Diskussion entschieden wir uns, warum auch immer, für letzteres.
Zu Beginn war die Schotterstraße ganz gut befahrbar und die kleinen Dörfer fast direkt am Meer malerisch schön.
Doch kaum ließen wir die Zivilisation hinter uns wurde die Straße zu einem lockerem Sandweg im Wald, welcher als "active cycling" ausgeschildert war. An fahren war nicht zu denken und schieben angesagt. Nach vorne war der kürzeste Weg zur Straße, nur ein Wanderweg kam als Alternative in Frage. Im Sand schieben ist wirklich sehr anstrengend und wir beschlossen den Wanderweg zu testen. Dieser war zum Glück einiges besser und meist befahrbar. Wir freuten uns einen Ausweg gefunden zu haben, bis dann die Schlammschlacht begann.
Dort wo der Weg sein sollte waren  zwischen 20 und 50 Zentimeter tiefe Spurrillen von Waldmaschinen. Der Weg war nicht mehr vorhanden und da die Rillen kreuz und quer liefen, mussten wir das Fahrrad mehr tragen als schieben. Die Matsche war Dank des umgebenden Sumpfgebietes auch noch tückisch und wir stecken beide einmal bis zum Knie drinn. Aber mit vielen Pausen ging es langsam vorwärts und wir erreichten eine wunderschöne Graslandschaft. Dort bauten wir erschöpft, aber sehr glücklich über die von Abendsonne perfekt in Szene gesetzte Landschaft, unser Zelt auf.
Am nächsten Morgen mussten wir lediglich 100 Meter schieben bis der Weg befahrbar wurde.
Außer einem bisschen Graupel und dem ersten lettischen Supermarkt brachte der Tag dann auch nichts spannendes mehr mit sich.
Der nächste Morgen dagegen schon, es lag Schnee auf unserem Zelt und der Waldboden sah aus wie mit Puderzucker bestreut.
Damit hatten wir im Mai nicht mehr gerechnet! Warm und wasserdicht eingepackt ging es los, und bald fing es an dicke Flocken zu schneien.
Das Schneegestöber hielt bis mittags an, war aber besser als Regen, da wir sehr trocken blieben. Auch wenn es etwas zu kalt war, waren wir gut gelaunt, denn so etwas erlebt man nicht alle Tage und da die Straßen frei blieben kamen wir ganz gut voran.
Gegen Abend war es schön sonnig und aller Schnee getaut. Die Nacht verbrachten wir in einem Wald welcher in alle Richtungen gleich aussah und am nächsten Morgen eine Märchen Schneelandschaft war. Auf unserem Zelt lagen ca vier Zentimeter Schnee. Also Frühstück im halbwegs warmen, aber von außen sehr nassen Zelt.
Wir fuhren weiter Richtung Norden und der Schnee blieb an einigen Stellen liegen. 10 Kilometern vor dem Slïteres Nationalpark entdeckt Viola direkt am Straßenrand eine Abwurfstange eines Hirsches, sehr beeindruckend. Bald darauf bauten wir, um nicht im Nationalpark zu Zelten, auf Schnee unser Zelt auf. Obwohl es seit dem Morgen nicht mehr geschneit hatte war die Schneeweiße fast durchgängig geschlossen und 5 Zentimeter dick.
Die Nacht wurde Wort Wörtlich eisig kalt, so daß in unserem Wassersack Eisklumpen schwammen und die Snickers im Zelt hart gefrohren waren. 
Morgens konnten wir es kaum erwarten aufs Fahrrad zu kommen um warm zu werden.
Den nördlichsten Punkt Lettlands, welcher Schnee frei war, erreichten wir mittags bei Sonnenschein. Das Kap Kolka hatte einen wunderschönen Strand mit tollem (fast) Rundblick auf das Meer und die Küsten. 
Die Landschaft Lettlands kann uns immer wieder beeindrucken.
Auch die Moos bewachsen Schützengräben im Wald am Abend gingen nicht spurlos an uns vorbei, schwer vorzustellen, dass hier einst gekämpft wurde, wo wir morgens in der Sonne am Strand unsere Cornflakes genossen. 
Der nächste Tag brachte eine besondere Herausforderung, den wir hatten uns vorgenommen nicht mehr als 40 Kilometer zu fahren, um einerseits nicht im Kemeru Nationalpark zu nächtigen und andererseits nicht vor Samstag im Riga zu sein. Denn wir hatten uns für Samstag Abend bei Vilnis, einem Freund von Haukes Onkel, in Riga angekündigt.
Also verbrachten wir den Nachmittag in der Sonne liegend am Strand und genossen es, dass es wieder etwas wärmer geworden war.
Samstag Nachmittag kamen wir schließlich in Riga an, wo wir über die perfekt ausgeschilderte Fahrradführung staunten. Riga hat zwar nicht viele Radwege zu bieten, aber die die es gibt sind super beschildert. Das klingt vielleicht unnötig, ist es aber nicht! In Danzig sind wir fast verzweifelt, weil wir ständig nicht wussten wo unser Radweg weiter geht.
Neugierig wer und was uns bei Vilnis erwarten würde ließen wir den speziellen Flair der Großstadt auf uns wirken.